Heinrich und Ingrid Kusch
Tore zur Unterwelt
Das Geheimnis der unterirdischen Gänge aus uralter Zeit ...
V. F. Sammler, Graz 2009
ISBN: 978-3-85365-237-4

Beim vorliegenden Buch der beiden international renommierten Höhlenforscher handelt es sich um einen wunderschönen großformatigen Bildband, der durchgehend mit Farbbildern versehen ist. Dr. Heinrich Kusch ist Prähistoriker und Lehrbeauftragter an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Seine Frau Ingrid studierte Geologie und Paläontologie. Zusammen mit Helfern unternahmen sie jahrzehntelang wissenschaftliche Ausgrabungen in den verschiedensten Ländern.
Verborgene Welten? Gibt es so etwas überhaupt noch in unserer Zeit? Ja! Und oftmals sogar unter unseren Füßen, und wir wissen nichts davon! Die vorliegende Ausarbeitung bezieht sich zwar „nur“ auf Österreich, überwiegend auf die Region Steiermark, aber selbst das, was die beiden Autoren hier zusammengetragen haben, ist zumindest erstaunlich und verblüffend.
Künstlich in das Gestein gehauene unterirdische Gänge, die vor Jahrhunderten oder früher angelegt wurden, bezeichnet man landläufig als „Erdställe“. Davon gibt es nicht nur in Österreich jede Menge. Man kennt diese Anlagen von Frankreich bis Tschechien, also in ganz Europa. Die meisten sind heute nicht mehr begehbar, weil sie verschüttet, zusammengebrochen oder zugemauert wurden. Bis zum heutigen Tag weiß niemand, wer und warum diese Gangsysteme einst anlegte. Und es sind nicht nur kurze Gänge oder Fluchtwege, sondern in den meisten Fällen handelt es sich um regelrechte ausgedehnte Anlagen unter der Erde, mit Räumlichkeiten und Gangverbindungen. Irgendwelche Inschriften oder sonstige Einritzungen in den Wänden fand man bis heute keine, nur anhand der Patina auf den bearbeiteten Wänden kann man erkennen, dass diese Anlagen „uralt“ sein müssen.
Teilweise wurden oder werden noch einige kurze Teilstücke bis heute verwendet, etwa zum Lagern von Lebensmitteln, wenn sich ein solcher Zugang in einem alten Keller befindet.
Für uns Heutige sind diese Gangsysteme unerklärbar und ohne Sinn, zumal sie sich teilweise über viele Kilometer erstrecken, meist in Felsgestein gehauen. Allein der Arbeitsaufwand, solche Anlagen anzulegen, lässt sich nicht einmal ansatzweise ermitteln. Viele dieser Gangsysteme führen zudem noch in größere Tiefen.
Nicht immer sind diese Anlagen so errichtet, dass sie bequem begehen werden können. Viele dieser Gänge mitsamt ihren Zugängen haben gerade mal eine Höhe, dass man sie nur auf dem Bauch rutschend „begehen“ kann. Man fragt sich unwillkürlich, wie man diese Gänge angelegt hat? Und wiederum: Zu welchem Zweck? Es hilft nichts, diese Anlagen zu ignorieren, weil sie nicht ins Geschichtsbild passen wollen, denn sie sind nunmal vorhanden.
Immerhin haben die beiden Forscher einen interessanten Zusammenhang finden können: Österreich ist, was wohl auch nicht jeder weiß, mit einer riesigen Menge an Menhiren geradezu übersät. Obwohl im Laufe der Jahrhunderte große Mengen dieser senkrecht stehenden mehr oder weniger bearbeiteten Steinblöcke aus den unterschiedlichsten Gründen zerstört worden sind, gibt es noch sehr viele von ihnen, die heute noch etwa als Grenzsteine Verwendung finden. Ein Teil dieser Menhire sind sogenannte Lochsteine, sie weisen ein kreisrundes Loch auf (manchmal auch zwei, manchmal auch eckige Löcher).
Für die Lochsteine hat man schon alle möglichen Thesen aufgestellt, wozu die Löcher dienen sollten, angefangen bei Sonnen- und Sternbeobachtungen. Alle diese Thesen treffen jedoch höchstens bei einigen Ausnahmen zu, alle anderen Lochsteine entzogen sich bisher beharrlich einer Erklärung.
Nun haben die beiden Forscher jedoch durch vorgenommene Messungen feststellen können, dass das Loch im Menhir ganz offenbar die Richtung angibt, in die ein unterirdischer Gang verläuft, denn diese riesigen Steine stehen unmittelbar über solchen Gängen, sofern sie nicht irgendwann versetzt worden sind. Die Lochsteine sind also eine Art Wegmarkierung für die unterirdischen Anlagen und weisen auf den nächsten Zugang hin (auch wenn er heute verschüttet ist).
Die beiden Höhlenforscher haben in jahrzehntelanger Forschungsarbeit hunderte von unterirdischen Gängen und Ganganlagen nachweisen können. Im vorliegenden Buch präsentieren sie mit eindrucksvollen, zum Teil großformatigen Bildern die unbekannte Unterwelt unter unseren Füßen. Und immer wieder stellt sich die Frage: Wer hat warum und zu welchem Zweck diese Anlagen errichtet?
Ich kann diesen Bildband jedem Interessierten wärmstens empfehlen, schon allein wegen den vielen sensationellen Fotos über die Unterwelt, die man wohl kaum in einem anderen Buch findet.
(Gernot L. Geise)


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