Georg Menting

Die kurze Geschichte des Waldes

Mantis-Verlag, Gräfelfing 2002

In mehreren Vorträgen und Aufsätzen seit 1998 hat Georg Menting, der ein abgeschlossenes Geologiestudium vorweisen kann, in den Kreisen der Chronologiekritiker seine neue Sicht der Waldgeschichte bekannt gemacht. Dabei bewegt er sich in abwägender Weise zwischen den universitären Theorien, die er grundsätzlich als Quellen verwendet, und den neuen Erkenntnissen von Heinsohn und Blöss. Sein „Plädoyer für eine drastische Kürzung der nacheiszeitlichen Waldgeschichte“ (Untertitel) findet sicher aufnahmebereite Leser und dürfte auch Fachleute zum Nachdenken zwingen. Dem Laien fällt es nicht immer leicht, der modernen Terminologie zu folgen, die weitgehend englisch geworden ist. Das Standardlehrbuch von Franz Firbas von 1949 hat zwar noch nicht ausgedient, ist aber doch an den Rand gedrängt worden.

Neuigkeiten gibt es in diesem Forschungsbereich die Fülle! Aber eine Zusammentragung der Ergebnisse fehlt noch. Mentings Gesichtspunkt ist die chronologische Einordnung der neuen Veröffentlichungen, was auf reges Interesse stoßen dürfte. Ich beschränke mich auf einige Beispiele.

Die akademische These von der langsamen Ausbreitung des Ackerbaus im Neolithikum aus dem Zweistromtal nach Europa wird kurz referiert und ihr eine andere entgegengestellt: die blitzartige Ausbreitung aus der Ukraine nach dem Einbruch des Schwarzen Meeres. Eine Diskussion findet jedoch nicht statt, und die „neue“ Theorie, im Grunde auch nicht neu sondern von einigen Russen seit Jahren vertreten, ist so schwach belegt wie jede andere. Warum soll der Ackerbau nicht aus der Sahara stammen oder aus der Gobi? Nach der Lektüre von F. de Sarres aufregendem Buch „Als das Mittelmeer trocken war“ (Efodon, 1999; Rezension in diesem Heft) muss man auch mit einer Keimzelle im westlichen Mittelmeerbecken rechnen. Allein diese weit hergeholten Vorschläge zeigen schon, dass Ukraine oder Mesopotamien als Ursprungsorte des Ackerbaus nur zeitbedingte und beliebig vermehrbare Theorien sind. Als Katastrophist neige ich natürlich zu einer blitzartigen Ausbreitung nach geologisch umwälzenden Ereignissen, aber das müsste anhand der Pollenanalyse belegt werden. Die vielbesprochene Haselnuss reicht dazu nicht aus. Wer einmal miterlebt hat, wie sich aus einer einzigen Haselnuss ein kleiner Wald in wenigen Jahren bildet, der wird dem menschlichen Zutun dabei wenig Bedeutung einräumen. Was ja Menting auch für den Ulme–Buchen–Wechsel schon andeutet. Seine Ausdrucksweise ist allerdings sehr vorsichtig, sodass man am Ende nicht weiß, was er nun eigentlich vertritt. Als Akademiker hält er sich bedeckt.

Interessant wird es dort, wo er die neuen Ideen der Chronologiekritiker, besonders Velikovskys Theorie, einbezieht.

Menting stellt unter Berufung auf die Eichenringchronologie fest, dass für die gesamte Bronzezeit (S. 87: „zwischen 1.800 und 1.100 v. Chr.“) ein einheitliches Klima in ganz Europa geherrscht haben muss, ein so genanntes Optimum, was ja auch kulturell erkennbar ist: Der Norden, besonders Skandinavien, muss hervorragendes Wetter gehabt haben, sonst wäre diese hohe Kulturblüte nicht möglich gewesen. In der Hallstattzeit („750–200 v. Chr.“) folgt dann eine gravierende Depression, die noch dazu blitzschnell eingebrochen sein muss, wie Menting an zahlreichen Beispielen deutlich macht. Hier kann er nun die von Velikovsky angenommene eisenzeitliche Katastrophe anführen, während die von Velikovsky propagierte vorherige Katastrophe (im 2. Jahrtausend v. Chr.) auf diesem Wege nicht erkennbar war.

Auch wenn man nach unseren neueren Arbeitsergebnissen an den klassischen Datierungen Zweifel anbringen muss, sind doch die einzelnen Befunde, die meist um „700 v. Ztr.“ (oder auch um 800 v. Ztr., Smolla 1954) angesiedelt werden, erstaunlich: Es ereigneten sich gewaltige Unwetter in kurzer Folge nacheinander, wodurch an den südwestdeutschen Flüssen bis zu 4 m mächtige Schotterdecken aufgeschüttet wurden, die die Bäume direkt am Ort begruben (S. 89). Dazu gehören das Vorrücken der Gletscher in den Alpen, das Aufhören der Flugsandbildung, der Untergang ganzer Wälder und die von Menschen vorgenommene Verstärkung der Bohlenwege in den Mooren. Das alles wird mit einer starken Erhöhung der Feuchtigkeit erklärt. Wälder wurden zu Mooren, Täler rissen auf, Seen entleerten sich, zahlreiche Menschen und Tiere starben.

Solche Katastrophen sollen nach den von Menting zitierten Forschern mehrfach vorgekommen sein. Er beschreibt noch eine weitere in der Jungsteinzeit, zu Beginn des Subboreals („zwischen 3.700 und 3.300 v. Chr.“) mit sintflutartigen Regenfällen und Bodenfrösten bis in den Sommer. Dies hätte die neolithischen Bauern veranlasst, wieder zum Jäger- und Sammlertum zurückzukehren. Wenn solche Querverbindungen zwischen Kulturereignissen und Klimaforschungsergebnissen auch faszinierend wirken, bleibt doch die Frage nach den Kriterien der Datierungsweise, die ja recht unterschiedlich vorgenommen wird. Da die meisten neueren Ergebnisse auf C14–Analysen beruhen, ist strenge Kritik am Platz, die vor allem auf die bekannten Bücher von Christian Blöss und H.-U. Niemitz Bezug nehmen muss. Menting hält es darum auch für möglich, dass die für den Beginn des Atlantikums („6.200 v. Ztr.“) angesetzte abrupte Klimaverschlechterung mit der zuvor genannten identisch sein könne. Wenn so große Zeiträume von rund drei Jahrtausenden zur Disposition stehen, fragt sich der interessierte Laie natürlich, wie denn die Fachleute ihre Ergebnisse erzielt haben mögen und ob bei anderen Zeitmaßen nicht auch ganz andere Schlussfolgerungen herauskämen.

(Uwe Topper)

(SY 6/2004)


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